Schäferei, Schäfermarkt und Schäferlauf in Bretten

Die Stadt Bretten als Schäferort

Die Stadt Bretten war dem Heidelberger Hof gegenüber verpflichtet, ständig 750 Schafe zu halten Diese Anzahl an Schafen durfte auch aufgrund von Seuchen, Krieg und anderen Umständen für längere Zeit nicht unterschritten werden. Die Stadt hatte die Kosten für die Schäfer zu tragen und für Mensch und -tier Unterkunft innerhalb der Stadtmauern bereitzustellen. Die Schafhaltung sollte in erster Linie dazu dienen, die Güter des herrschaftlichen Bauernhofes durch das sogenannte Pferchen zu düngen. Die Abfolge der Pferche war genau geregelt. Die Schafe lieferten die Wolle für die Brettener Weber. Schaffleisch machte über 50 % des Fleischkonsumes aus.

Der Brettener Schäfermarkt und Schäferlauf am Laurentiustag

besondere Beachtung hat im Brettener Schrifttum stets der am Laurentiustag abgehaltene Schäfermarkt in Verbindung mit dem sogenannten Schäferlauf oder Schäfersprung gefunden. Die Belege darüber reichen bis in das Jahr 1634 zurück. Ohne Zweifel handelt es sich aber um einen Brauch, der seine Wurzeln im Spätmittelalter hat. Einige Brettener Chronisten vertraten die Auffassung, der Schäferlauf sei „mindestens so alt als die Stadt Bretten selbst“.

Über die Mitte des 14. Jahrhunderts, also über die kurpfälzische Zeit, dürfte diese Einrichtung jedoch schwerlich zurückgehen. Sie dürfte wohl mit der Ausgestaltung der Herrenschäfereirechte durch die Territorialstaaten im Spätmittelalter zusammenhängen.

Ein entsprechender Schäfertag ist in der Grafschaft Württemberg seit dem Jahre 1443 in Markgröningen belegt. Dort tagte das Schäfergericht unter dem Vorsitz des württembergischen Vogtes, wobei der Stadtschäfer und vier Obermeister der Zunft mit vier herrschaftlichen Beamten über personelle Fragen und Weidestreitigkeiten berieten, Prüfungen abnahmen und „Leggelder“ als eine Art Gewerbesteuer einzogen. Die dortige Schäferzunft war bereits eine Berufsorganisation, die alle Bereiche des wirtschaftlichen, kulturellen, religiösen und persönlichen Lebens umfasste und dadurch die Geschlossenheit des Standes zum Ausdruck brachte. Über die Organisation des Brettener Schäfertages erfahren wir erst aus Baden-Durlachischen Akten des 18. Jahrhunderts nähere Einzelheiten.

Im Jahre 1708 forderte der Brettener Oberamtsschultheiß die Vorstände der angrenzenden Ämter des Hochstifts Speyer, der Markgrafschaft Baden und des Herzogtums Württemberg auf, dem uralten Brauch entsprechend wieder die Schäfer ihrer Bezirke zum nächsten Laurentiustage nach Bretten zu entsenden In den Nachbarterritorien wurde diese Einladung jedoch keineswegs freundlich aufgenommen. Sondern als Eingriff in die eigene Jurisdiktion empfunden.

Baden konnte wegen der 1689 erlittenen Archivalienverluste keine älteren Unterlagen, die Aufschluss über den Brettener Schäfermarkt geben konnten, ausfindig machen. Nachforschungen im Baden-Durlachischen Archiv zu Basel ergaben lediglich, dass bereits 1669 der Bischof von Speyer beim Markgrafen über die Beschaffenheit des Brettener Schäfermarktes Erkundigungen eingezogen hatte.

Baden habe damals seinen Schäfern unter Strafe verboten, nach Bretten zu kommen. Nach Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges erneuerte das Amt Bretten 1714 seine Bemühungen um Wiederbelebung des Schäfermarktes. Der Markgraf ließ darauf in den Ämtern Durlach, Pforzheim, Stein, Staffort und Graben Erkundigungen über den Charakter des Brettener Schäfermarktes anstellen.

Die Aussagen betagter Schäfer ergaben folgendes:

Vor 1689 seien die Schäfer mit ihren Knechten aus der ganzen „Gegend“, und zwar aus der Pfalz, dem rechtsrheinischen Teil des Hochstifts Speyer, den angrenzenden württembergischen und Baden-Durlachischen Ämtern alljährlich auf Montag nach Laurentius in Bretten zum Schäfermarkt, Schäfer- oder Brudertag zusammengekommen. Sie seien mit fliegenden Fahnen und Spiel aufgezogen, in die Kirche gegangen und hätten einer Predigt beigewohnt. Sie besaßen ein besonderes Versammlungslokal, das Wirtshaus „Zum Kreuz“ („Zum goldenen / gelben Kreuz“) und verwendeten dort ein besonderes Trinkgeschirr in Form eines silbernen Lammes. Kurz nach Beginn des 30jährigen Krieges, im Jahre 1619, ist erstmals von dieser Gastherberge die Rede, die bald eine große Bedeutung erlangt hat. Erster uns bekannter Kreuzwirt war Michael Schweickhardt. Der Gasthof befand sich an der Stelle des heutigen Anwesens Marktplatz Nr. 11.

Wie die Handwerker ihre Zunftordnung, so hatten auch sie eine besondere Satzung, die alljährlich verlesen wurde. Es ist daraus aber so viel zu ersehen, dass jedes der vier beteiligten Territorien je zwei „verordnete“ Zunftmeister, Obermeister oder Fähnriche stellte. Diese sollten von den Schäfern mit ihren Herden begangenen Fehler und Übertretungen rügen und auf einem Verhörtag am Sonntag nach Bartholomäi in Bretten aburteilen. An diesem Tag konnten alle Schäfer und ihre Knechte ihre Klagen vorbringen. Die Strafen kleinere Übertretungen betrugen 1—2 Gulden, davon fiel die Hälfte an die „Obrigkeit“, d. h. an das Amt, die andere Hälfte an die Zunftmeister.

Auf den Schäfertagen haben nach Auskunft des badischen Amtmanns zu Stein die Schäfermeister sich mit neuen Schäferknechten und Gesinde versehen. Neben dem rechtlichen und geselligen Hintergrund hatten die Zusammenkünfte also durchaus auch ihre handfeste wirtschaftliche Grundlage.

Auf die Frage, warum gerade Bretten als Ort der Schäfertage bestimmt worden war, gab der Keller in Weingarten 1716 die folgende Auskunft: es rühre daher, dass Kurpfalz der vornehmste Stand sei und Bretten innerhalb der vier Herrschaften in der Mitte und somit am günstigsten sei. Jedenfalls verband die Pfalz damit keine besonderen Ansprüche, im Gegenteil, sie spielte die Rolle Brettens mit dem Hinweis herunter, dass damit den Rechten der Nachbarterritorien in keiner Weise Abbruch geschehen solle.

Von Interesse ist die Herkunft der Zunftmeister: die beiden pfälzischen stammten aus Bretten, die württembergischen aus Derdingen und Maulbronn, die badischen aus Pforzheim, die bischöflich-speyerischen aus Philippsburg und Bruchsal. Dadurch wird in etwa der Einzugsbereich der Schäfer, die in Bretten zusammenkamen, umschrieben. Möglicherweise ist damit nicht nur der Herkunftsort, sondern das Amt bezeichnet, aus dem die Meister oder Fähnriche stammten. Die letztere Bezeichnung rührt wohl daher, dass die Abordnungen der einzelnen Territorien jeweils ihre eigene Fahne hatten und die Obermeister diese vorantrugen. Wenn einer der Obermeister starb oder wegzog, so sollte einer aus den übrigen Meistern des gleichen Territoriums bzw. Ortes an seine Stelle „gezogen und genommen“. d. h. gewählt werden.

Die in Markgröningen hinterlegte Kopie stammte aus dem Jahre 1634. Sie war auf Bitten der Obermeister von dem Brettener Oberamtsschultheißen Oswald Schmend besiegelt worden. 1634 wurden von den Obermeistern einige neue Bestimmungen erlassen, die vor allem die Disziplin auf den Schäfertagen betrafen. Damals war es vorgekommen, dass eine Anzahl von Meistern und Schafknechten sich am Schäfertag in Dorfwirtshäusern außerhalb Brettens aufhielten und in gefährliche „Schlaghändel“ verwickelt wurden. Diejenigen Meister oder Knechte, die sich am Schäferlauf beteiligen wollten, sollten mit den Fahnen hinausgehen und bis zum Ende des Wettbewerbs dabeibleiben.

Es kamen zu den Schäfertagen nach Aussage von Teilnehmern vor 1689 alljährlich über hundert Schäfer und Knechte in Bretten zusammen. Dabei ging es natürlich hoch her. Es ist die Rede davon, dass Meister und Knechte „toll und voll“ die Obermeister bei ihrer Mahlzeit belästigen.

Die Schäfertage fanden bis 1848 statt. Offensichtlich wurden sie nach der Niederschlagung der Revolution in Baden 1849 wie alle Vereine zunächst verboten. Im Zuge des Rückganges der Schäfereien lebten sie danach, als das Vereinsverbot gelockert wurde, nicht wieder auf.

Den eigentlichen Schäferlauf schildert Gehres 1805 aus eigener Anschauung folgender maßen: Bevor das gewöhnliche Wettrennen beginnt, versammeln sich die Schäfer mit klingendem Spiele und Schalmeienklang auf der Zunftstube zu Bretten, rüsten sich des Vormittags zum gottesdienstlichen Besuche; zu dem End wallen sie von da aus, in Masse vereinigt, mit aufgepflanzten Hirtenstäben auf der Schulter, von ihres Festes Vorgefühl begeistert, in förmlicher Prozession der Kirche zu.

Ist dieser Gottesdienst vorüber, dann wandern diese Schäfer von jener heiligen Stätte, gleichfalls unter Begleitung der Musik, geradewegs auf ihre bestimmte Herberge zurück: pflegen sich dort gütlich, bis gegen Abend hin; worauf erst mit den sog. Meistersöhnen und -töchtern dieser Schäfer auf folgende Art das herkömmliche Wettrennen beginnt. Ungefähr eine halbe Stunde außerhalb der Stadt ist diesen jungen Leuten, sobald sie samt und sonders auf dem hierzu bestimmten Platz im freien Felde versammelt sind, ein gewisses Ziel in einer beträchtlichen Ferne zum Wettrennen angesteckt. Nach diesem eilen zuerst paarweise die ledigen Meisterssöhne; der nun von ihnen am ersten jenes Ziel erreicht, trägt hierauf das zum Preis dafür ausgesetzte, mit buntfarbigen Bändern geschmückte Lamm davon; die alsdann gleichfalls paarweise in leichtem Gewand wetteifernden ledigen Meisterstöchter erhalten hingegen auf gleiche Art die für Sie bestimmten seidenen Halstücher.

Ist nun dieses wechselseitige Wettrennen vorüber, so kehren diese jungen Leute von gedachtem Rennplatze wieder in ihre Zunftherberge zurück; überlassen sich dort den Belustigungen des Saitenspiels und dem Tanze nach ihrer eigenen Art; und endigen damit zugleich die jährliche Geschichte des sog. Schäfermarktes in Bretten“.

Den Wettlauf der Meisterstöchter kennen die Berichte aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts noch nicht. Sie sprechen von einem mit Kränzen gezierten Hammel (nicht von einem Lamm!), der dem besten Läufer für sich „und seine Tänzerin; so auch eines Schäfers Tochter seyn müsse“, zufalle.